Probiotische Drinks selber machen :-)


Der gekürzte und leicht veränderte Artikel erschien in dem Magazin „Kochen & Küche 6 · 2017“, Stockerverlag / Österreich.) 


In aller Munde sind endlich wieder die als gesund eingestuften Lebensmittel. Ihr Kommen und Gehen ist der Mode unterworfen. Mal ist es Mode alles selbst zu machen, dann wieder wird gegen den eben noch entfesselten und hochgelobten Eifer der Damen und Herren zu Felde gezogen, urplötzlich ist es nicht zeitgemäß diese Dinge selbst herzustellen. Es gibt ja alles zu kaufen. Ob nun die Qualität bei Ersparnis der Quantität gerecht wird bleibt bei allen Betrachtung und Versuchen der Lenkung der Konsumenten außen vor, mehr noch: die soeben angepriesenen Wohltaten auf Geist und Körper werden kleingeredet, man habe neue Erkenntnisse. Als Quintessenz bleibt aber bei aller regelmäßiger Narretei festzuhalten: Das ursprüngliche, natürliche Lebensmittel, das so wenig wie möglich bearbeitet wurde, trägt den Bedürfnissen des Menschen absolute Rechnung. Die Wenigsten jedoch wissen noch um die Geheimnisse aus Küche und Keller, umso erfreulicher das die Graswurzelbewegung der vergangenen Jahre wieder oben angekommen ist. Selber machen ist wieder in, Bücher zu dem Thema schießen wie Pilze aus dem Boden, vorzuziehen sind die, die mit erstaunlich wenigen Zutaten auskommen. Und genau die, die altbewährten Rezepturen in unsere modernen Küchen transportieren, bescheren ungeahnte Gaumenfreuden.
Einige dieser ganz Alten sind z. Jun, Kombucha, Kefir oder Rejluvac mit tausendfach erprobter, dokumentierter Wirksamkeit. Es handelt sich hierbei um Getränke, die mittels Vergärung (Fermentation) aufgewertet, veredelt, ja vollendet werden. Ihnen allen ist die Besiedelung mit lebenden Mikroorganismen, die Probiotika genannt werden, gemeinsam. Diese leben natürlicherweise in unserem Darm, der, wenn er gesund ist, die Grundfeste der Gesundheit des Menschen bildet. Man kennt um die 500 uns besiedelnde Bakterienstämme, sie bilden die Darmflora, die zusammen genommen ein stattliches Gewicht von fast 1,5 kg auf die Waage bringen würden. Gerät nun das Siedlungsgebiet Darm in Schieflage, vermehren sich die dort ebenfalls ansässigen schädlichen Mikroorganismen (im Idealfall max. 15 % v. H.) mehr als es dem so wichtigen Gleichklang zuträglich ist. Damit sinkt die Abwehrkraft, der Mensch erkrankt. Ein kranker Organismus ist weniger bis gar nicht leistungsfähig, matt und niedergeschlagen. Klinische Studien belegen, was unsere klugen Vorfahren schon lang erspürt haben: eine deutliche Verbesserung des Allgemeinbefindens und eine gesteigerte Widerstandskraft. Erkrankungen wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien, Hauterkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom oder Asthma werden nachhaltig günstig beeinflusst. Ebenso fangen Probiotika die übermäßige Reproduktion pathogener Keime, befeuert durch Konsumierung minderwertiger industriell hergestellter, antibiotikabelasteter Nahrungsmittel, ab. Auch den gefürchteten Candida Albicans mit all seinen unangenehmen Begleiterscheinungen verweist eine starke Abwehr in seine natürlichen Schranken, hindert ihn daran, womöglich den gesamten Körper zu befallen.

Festzuhalten bleibt also: ist der Darm gesund geht es dem ganzen Individuum bedeutend besser, damit bliebe nun och die Frage nach dem Wie. 


Vergorene Lebensmittel enthalten, sofern sie nach der Fertigstellung nicht thermisch behandelt werden, eine riesige Menge Probiotika. Diese bilden sich im Laufe der Fermentation aus wilden oder zugesetzten Keimen, ohne sie kann keine Vergärung stattfinden. Nun müssen gehandelte Lebensmittel aber haltbar(er) gemacht werden. Das geschieht z. B. durch Erhitzen oder die Zugabe von Konservierungsmitteln. Damit werden die Mikroorganismen abgetötet, auch die in Deinem Darm. Ein Konservierungsmittel unterscheidet nicht zwischen Vorratsglas und Körperinnern. Was also liegt näher als in der eigenen Küche diese Dinge frisch selbst zuzubereiten? Es ist gar nicht schwer oder teuer. Es geradezu grotesk einfach: hast Du erst einmal ein paar Krüge und Töpfe sowie einige Starterkulturen von Kefir, Kombucha oder dem Newcomer Jun kannst Du starten. Rejuvelac benötigt nur Wasser und Getreide. Bei den drei Erstgenannten handelt es sich um eine Mischung verschiedener symbiotisch lebende Mikroorganismen. 

Kefir z. B. stammt aus dem Nordkaukasus. Vorzugswiese lebt er in Milch und vergärt diese, wobei eine geringe Menge Alkohol (bis 2 %) entsteht. Natürlich ist er aufgrund dieser Tatsache für Alkoholiker (auch für Trockene) leider ungeeignet. Schwangere und Diabetiker befragen bitte ihren Arzt dazu. Alle anderen dürfen beherzt genießen. Allen Enzymgetränken gemeinsam ist, dass sie bei regelmäßigem Genuss das Säure-Basen-Gewicht positiv beeinflussen können. Sie unterstützen den Körper durch Verstärkung der Abwehrkräfte, normalisieren den Blutdruck, lindern Kopf- und Gliederschmerzen, ja auch bei Hämorrhoiden können sie Besserung bewirken. Ebenso lindern sie Rheuma, Gicht, Diabetes, Osteoporose, Arteriosklerose oder Allergien. Kefir regt den Stoffwechsel und somit den Kreislauf, die Tätigkeit der Leber, Galle und Nieren an. Die im Kefir enthaltenen Milchsäurebakterien regen die Darmbewegung und verhindern damit Verstopfungen. Kefir gilt außerdem als probates Heilmittel bei Typhus und ähnlichen Erkrankungen, da er in der Lage ist bestimmte Erreger innerhalb von 48 Stunden abzutöten. Er enthält wie die meisten vergorenen, lebenden Getränke unter anderem Calcium, Magnesium, Phosphor, Natrium, Mangan, Kupfer, Eisen, Zink, Vitamin B1 und B2, Folsäure, Pantothensäure, Vitamine der B6-Gruppe und andere. 

Für die ersten Versuche empfehle ich unbedingt einige gesunde Knollen zu bekommen, meine ersten Gehversuche startete ich mit einem Ferment aus dem Reformhaus, dessen Geschmack trotz kurzer Gärdauer viel zu intensiv war. Gut das mir eine liebe Blogfreundin kurzerhand welche vermachte :-9).
 
  Verwenden kannst Du jede Art von Tiermilch; Kuh-, Ziege- Stuten- oder Schafsmilch. Er fühlt sich auch in fettarmer oder H-Milch daheim. Doch das beste Ergebnis erzielst Du durch die Verwendung von frischer Milch, also einer, die so wenig wie möglich bearbeitet wurde. Ein nicht unwesentlicher Faktor bei der Geschmacksentfaltung des Kefirs ist die Umgebungstemperatur. Unter 18 Grad arbeiten die Hefen stärker, das Ergebnis ist ein festeres Getränk mit süßlicherem Geschmack. Über 18 Grad ist es flüssiger und leicht säuerlich.
Kefir und auch alle anderen probiotischen Getränke sind Naturprodukte, somit überrascht das Ergebnis hin und wieder. Da die Geschmäcker verschieden sind, kann kein gültiges Dogma aufgesetzt werden. Ein Eßlöffel Kefirknollen vergären einen Liter Milch selbsttätig und unkompliziert in zwei bis drei Tagen. 

 Um dem Kefir geschmacklich eine neue Note zu geben, kannst Du ihn mit Kräutern oder Gewürzen etwas Pepp verleihen. Kefir schmeckt auch als Dressinggrundlage vorzüglich, er kann in Kuchen, Brot, Brötchen und Torten anstelle von Milch bzw. Wasser verwendet werden. Zu dicker oder zu herzhafter Kefir wird mit Kräutertee oder Wasser bzw. Mineralwasser verdünnt. So prickelt er noch ein bisschen mehr, ganz sahnig, ganz anders als Kombucha, welcher feinsüffig den Gaumen kitzelt. 

Kombucha wird in Asien schon lange genossen, irgendwann schwappte er im Zuge neuerwachten Gesundheitsbewußtseins nach Europa und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Kein Wunder, dass auch hier Fertigprodukte im Getränkemarkt stehen, die mit der Zeit den Geldbeutel ganz schön schmälern. Dabei entgeht dem Käufer nicht nur das Vergnügen der Gärung in der eigenen Küche, sondern vor allen die aus Experimentierfreude geborenen unzähligen Geschmacksnuancen, denn es beeinflussen wie beim Kefir viele Faktoren das Endergebnis. Rezepturänderungen (Ansatzteesorte, Zuckersorte- und Menge), Wasserqualität, Gärdauer usw. all das lässt den Kombucha stets etwas anders schmecken. Auch der Teepilz ist eine lebendige Gemeinschaft von Bakterien- und Hefestämmen. Diese verstoffwechseln den zugesetzten Zucker zu organischen Säuren und geringen Mengen Alkohol. Der basenbildende Kombucha schmeckt säuerlich mit dem Aroma des zum Ansatz verwendeten Tees, ihm werden die gesundheitsfördernden Eigenschaften aller Enzymgetränke zugeschrieben. Bei entsprechender Pflege lebt er viele Jahre und wächst in dieser Zeit in Schichten auf mehrere Zentimeter Dicke. Diese lösen sich voneinander ab und können mit etwas Ansatzflüssigkeit verschenkt werden. Kombucha kann geschmacklich mit Fruchtsäften, der Zugabe von Trockenobst bei der Nachreife, auch mit Kräutern und Gewürzen abgewandelt werden. 
Der Motor der Veredelung zu einer probiotischen Köstlichkeit ist Zucker in all seinen Erscheinungsformen wie Rohr- Frucht- oder Milchzucker. Doch es geht noch delikater, noch edler: Jun ist ein Getränk, welches sich anschickt die Gaumen der Genießer zu erobern. Es ist eine Art Teepilz, welcher nur in mit Honig gesüßtem grünem Tee angesetzt wird.

Sucht man nach belegbaren Quellen der Herkunft des Jun, wird es mysteriös. Der Papst der Fermentierkunst - Sandor Katz meint: „... dass es sich um einen neuen Sprössling der Kombucha Familie handeln muss. Einige Quellen besagen zwar, dass Jun aus Tibet kommt, aber selbst Bücher über tibetanisches Essen und speziell über Fermente aus dieser Region beinhalten keine Hinweise auf Jun. Wie alt er auch immer sein mag, er schmeckt köstlich.“ 

Lassen wir dem Jun sein Mysterium, er unterscheidet sich auch wenn er ein Nachkomme des Kombuchas sein könnte von diesem in signifikant: Während der Kombucha, in schwarzen Tee zuhause ist und bis max. 1,9% Alkohol enthalten kann, bitzelt der Jun mit bis zu 5% Alkohol auf der Grundlage grünen Tees milder auf der Zunge. Auch mag er es gern etwas kälter (Kombucha arbeitet bei 18 - 20 Grad) und arbeitet schneller, allerdings ist er nicht so teilungsfreudig. 
 
Noch einfacher als mit Kefir, Kombucha und Co. werden aus Getreidekörnern fast über Nacht probiotische Getränke, der Rejluvac. Für seine Herstellung benötigst Du nur gekeimten Weizen, Wasser und ein großes Gefäß, das wie immer mit einem Mulltuch verschlossen werden muss. Etwas kräftiger schmeckt Rejluvac aus Roggen. Auch Gerste, Hafer, Reis oder Buchweizen oder Amarant, Quinoa, Mais nach dem Keimen fermentiert, ergibt feinen Rejluvac. Wie alle probiotischen Getränke schmeckt auch er leicht säuerlich, aber nicht unangenehm, fast schon mild und passt daher auch in Müslis oder Smothies. Diese, auch die Grünen, gewinnen durch die Zugabe bereits veredelter Gemüsesäften. So stellen sich neben den genannten Geschmacksrichtungen salzige Nuancen in den Reigen der süßen, milden oder säuerlichen probiotischen Getränke, Frischkost erfährt durch Zugabe eine ungeheure Aufwertung.  Die Zubereitung probiotischer Getränke ist denkbar einfach, nun bist Du an der Reihe: Probiere es ruhig aus, genieße haus- und handgemachte, natürlich fermentierte Köstlichkeiten. 

(Der gekürzte und leicht veränderte Artikel erschien in dem Magazin „Kochen & Küche  6 · 2017“, Stockerverlag / Österreich.)